Nachgefragt ist eine Interviewreihe mit anderen KalligrafInnen und SchriftkünstlerInnen. Ich finde es selbst sehr inspirierend, mich mit KollegInnen auszutauschen, einen Einblick in ihre Arbeitweise und Motivation zu erhalten.
Susanne habe ich auf Facebook und Instagram entdeckt. Besonders angesprochen haben mich ihre kalligrafierten Stickrahmen und Fenster in Kombination mit den Häkelmandalas. Aber auch die Kombination von Schrift und Bild finde ich sehr einzigartig. Deshalb habe ich Susanne Raich zum Interview gebeten. Und juhu, sie hat ja gesagt. Vielen Dank!
Susanne Raich
Schriftlich
Wie kam Schriftkunst in dein Leben?
Ich hatte, so sagt man, schon immer eine schöne Handschrift und musste sowohl in meinem Grafikerdasein, als auch während meiner Tätigkeit in der Dekobranche immer wieder etwas von Hand schreiben. Ich hatte stets Spaß daran, war allerdings selbst nie wirklich zufrieden mit dem Ergebnis und beschloss deshalb, endlich meinen ersten Kalligrafiekurs zu besuchen. Über die klassische Kalligrafie fand ich dann den Weg zum Hand- und Brushlettering.
Was bedeutet Schriftkunst für dich?
Sehr viel. Ich habe einen unbändigen Drang alles zu beschriften oder zumindest mit Schrift zu kombinieren. Dabei experimentiere ich gerne und mittlerweile ist mir kaum ein Untergrund fremd. Holz, Glas, Wände, Fliesen, Badewannen und Möbel, Stoff, Leder und Metall, alles kommt „unter den Pinsel“…
Wenn du nur mit 3 Schreibwerkzeugen arbeiten dürftest, welche wären das?
Puhh, die ersten 2 sind einfach: Ein Fudenosuke hart in schwarz und ein spitzer Schreibpinsel, dann wird es schon etwas schwieriger ….Bleistift, Pigmentfineliner oder weißer Gel-bzw. Lackstift.
Da die Spitze des Fudenosuke einen Fineliner ersetzen- und ich mit dem Pinel in weiße Farbe tauchen kann, scheint mir der Bleistift eine gute Wahl zu sein…denn, obwohl ich es liebe, einfach drauflos zu schreiben, muss doch ab und an etwas vorgezeichnet werden.
Wie kommst du am besten in einen kreativen Schaffensmodus?
Ich bin, als ein, im Sternzeichen Stier geborenen, ein leider recht unmäßiger Mensch und alles was ich gerne mach‘, übertreibe ich meist…d.h. oft ist es für mich schwieriger aus einem Schaffensmodus raus zu kommen als hinein und eine Arbeit nicht zu überladen oder zu viele Varianten davon zu erstellen. Deshalb bin ich auch meist unter Zeitdruck…aber auch das ist eher eine Antriebsfeder, als dass es mich bremst.
Was inspiriert dich?
Ich bin unentwegt auf der Suche nach Ideen und finde sie manchmal in mir selbst, in meinen Erfahrungen, in Begegnungen und Gesprächen mit interessanten und geliebten Menschen, in Filmen, Musik, Büchern, in der Natur, am Meer, aber auch auf Pinterest. Was mich jedoch am meisten inspiriert sind mit Sicherheit Reisen, fremde Kulturen und allem voran andere Künstler.
Welche Texte finden in deine Arbeiten?
Da gibt es 2 Kategorien. Die Sprüche auf Auftrags- und Verkaufsarbeiten sind meist Kundenwünsche und ich würde sie selbst wohl nicht immer alle so wählen.
Texte für Ausstellungsarbeiten auszusuchen, stellt für mich den schwierigsten Teil des Schaffensprozesses dar. Wichtig finde ich dabei authentisch zu bleiben und zu hundert Prozent dahinter zu stehen. Gerne verwende ich Zitate kluger Köpfe, berührende Sätze aus Film und Musik sowie biblische Verse für meine Kerzen und Patenbriefe.
An welchem Projekt arbeitest du gerade?
Corona hat so manchen Plan zerschlagen oder zumindest verschoben aber auch neuen Ideen ihren Weg geebnet und sie in ihrer Verwirklichung vorangetrieben, deshalb arbeite ich im Moment an einem Onlineshop und freue mich schon sehr, ihn zu eröffnen.
Persönlich
Was bedeutet für dich kleines Glück?
Oh, das kann vieles sein und je älter man wird, desto schneller erkennt man es…
….Eine Schale frischer Kirschen zum Beispiel, ein Lieblingsfilm, der ganz unerwartet gerade im Fernsehen läuft,…ein gutes Gespräch,….eine schöne Erinnerung, ….ein Regentag,….ausschlafen können….wenn der Mann unerwartet frei hat…..
Hast du ein Morgenritual?
NEIN, definitiv nicht! Aus dem einfachen Grund, dass es bei mir keinen Morgen gibt. Ich bin eine Nachteule durch und durch. Somit wäre lediglich als Ritual zu nennen, dass ich erst in den frühen Morgenstunden schlafen geh.
Wie entschleunigst du deinen Alltag, wobei entspannst du dich?
Nicht ungern tausche ich Stift und Pinsel gegen den Kochlöffel.
Da ich von zu hause aus arbeite, bedarf es, um den Kopf komplett frei zu bekommen, schon eines Ortswechsels, deshalb werde ich des Öfteren zu einem Ausflug oder Kurzurlaub entführt und da lasse ich dann bewusst alle Schreib- und Malutensilien daheim.
Welches Buch hat dich zuletzt berührt?
Lesen war früher meine große Leidenschaft, doch je älter ich werde, desto schneller schlafe ich dabei ein und dafür ist mir dann die Zeit wirklich zu schade. Deshalb bin ich auf Hörbücher und vor allem auf Podcasts umgestiegen, die sich ganz wunderbar neben der Arbeit hören lassen, vorausgesetzt man hat keine wichtigen oder komplizierten Texte zu schreiben.
Ich lese also gar nicht mehr, das letzte Buch, das mir allerdings im Gedächtnis blieb, war „Das böse Mädchen“ von Mario Vargas Llosa.
Führst du ein Skizzenbuch/Tagebuch/Journal?
Nein, dafür bin ich viel zu unstrukturiert und zu chaotisch, aber ich liebe es im Nachhinein Artjournals aus meinen losen Werken und Übungsblättern zu binden. Oft sortiere ich sie nach Themen und verwende sie dann bei meinen Kursen als Anschauungsmaterial.
Perspektivisch
Was rätst du jemandem, der mit Kalligrafie anfangen möchte?
Einen, besser noch, mehrere gute LehrerInnen zu finden und deren Workshops zu besuchen….und man muss üben, üben, üben… so, als würde man ein Musikinstrument erlernen wollen…. alles andere wäre gelogen.
Kalligrafie im 21. Jahrhundert: Wohin entwickelt sie sich? Welche Bedeutung hat sie?
Nachdem vor einigen Jahren öffentlich darüber diskutiert wurde, die Schreibschrift abzuschaffen, hat sich wohl eine Art Gegenbewegung entwickelt, mit deren Ausmaß niemand gerechnet hätte.
Das Interesse daran, schön schreiben zu lernen, wird immer größer.
Von Hand Geschriebenes ist sehr persönlich und wertet stets auf und es wird immer Menschen geben, die den Zauber und die Magie kalligrafierter Texte zu schätzen wissen und als eine Art Kunst betrachten.
Für mich, als durch und durch „analoger Mensch“, ist auch ein Alltag ohne Schreibschrift unvorstellbar. Deshalb und wenn man bedenkt, wie lange es Handschriften schon gibt, glaube ich fest daran und hoffe, dass sie uns erhalten bleibt. Sie ist Teil des persönlichen Ausdrucks und Charakters eines jeden Einzelnen und sollte deshalb auch gepflegt werden.
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Bildrechte: Susanne Raich