Nachgefragt – Ein Interview mit Sandra Heimerzheim

Nachgefragt ist eine Interviewreihe mit anderen KalligrafInnen. Ich finde es selbst sehr inspirierend, mich mit KollegInnen auszutauschen, einen Einblick in ihre Arbeitweise und Motivation zu erhalten.

Sandra habe ich um 2000 herum kennengelernt. Über die Deco- und später Mailartszene begannen wir eine Brieffreundschaft. Die Briefe wurden durch den zunehmenden Kontakt übers Internet weniger, wir begannen uns auch mal zu Bastelsessions zu treffen und Kalligrafiekurse gemeinsam zu besuchen. Mit Sandra kann ich herrlich über andere Kalligrafien schmachten, gemeinsam durch Collageschnipsel schwelgen und alles durch Buchstaben ergänzt sehen. Sie schickt die schönste Weihnachts- und Geburtstagspost und macht überhaupt ganz zauberhafte Dinge. Sie hat ein besonderes Geschick, Dinge mit dem Spitzpinsel und (weisser) Farbe zu verzaubern und ein feines Gespühr für Collagen.

Liebe Sandra, schön, dass es dich gibt!

Sandra Heimerzheim

Kalligrafisch

Wie kam Kalligrafie in dein Leben?

Das ist so lange her, dass ich es gar nicht mehr richtig nachvollziehen kann. Es gab jedenfalls keinen Punkt, an dem ich beschlossen habe: Jetzt lerne ich Kalligrafie. Viel mehr entwickelte sich das aus meiner Mixed-Media-Zeit, in der sich eigentlich alles um Collagen drehte. Ohne ein Schriftstück – ob Handgeschriebenes, alte Briefe / Dokumente oder eine ausgeschnittene Zeile eines alten Buches -sehen Dinge für mich nackt und unvollständig aus. Irgendwann habe ich dann selber angefangen, zu schreiben, um Texte mit einzubauen. Allerdings würde ich die Werke dieser Zeit nicht unbedingt als Kalligrafie bezeichnen. Tatsächlich dauerte es 10 Jahre, bis ich meinen ersten Kalligrafiekurs besuchte.
So oder so sind Schrift und Typografie aus meinem ästhetischen Wohlbefinden nicht wegzudenken.
Würde man mir die Aufgabe geben, etwas zu erschaffen, ohne Schrift zu benutzen… alleine bei dem Gedanken zieht sich schon mein Bauch zusammen. Nennt mich verrückt.

Was bedeutet Kalligrafie für dich?

Vervollständigung, zur Ruhe kommen, Ausdruck.

Wenn du nur mit drei deiner Schreibwerkszeuge arbeiten dürftest, welche wären das?

Ich brauche sogar nur zwei: Schulfeder, Pinsel

Wie kommst du am besten in einen kreativen Schaffensmodus? Und wie schaffst du es, aus einer Schaffensblockade rauszukommen?

Indem ich meine (sehr vielen) liebsten Materialien auf meinem (sehr großen) Arbeitstisch ausbreite und stundenlang alles von rechts nach links und wieder zurück schiebe. Meistens ist es ein Teil, das ich schon ganz lange horte, das den entscheidenden Funken bringt.
Bei einer Schaffensblockade hilft nur, das Arbeitszimmer pikobello aufzuräumen, dann etwas ganz anderes machen (vorzugsweise stricken) und später oder am nächsten Tag nochmal anzufangen.

Woher bekommst du deine Ideen/was inspiriert dich? 

Die Frage konnte ich noch nie beantworten. Mich inspiriert alles, was ich sehe und lese.

Welche Texte und inhaltliche Schwerpunkte finden in deine Arbeit? (Musik, Lyrik, Zeitgeschehen, spirituelle Texte…)

Am häufigsten einfach schöne Zitate, wer auch immer diese von sich gegeben hat. Meine heimliche Liebe gilt vor allem Schiller, Rilke und Goethe. Aber auch Astrid Lindgren ist immer für etwas Zauber zu haben.
Für meine nichtberuflichen Werke, insbesondere bei Collagen oder Wandkalligrafien, müssen grundsätzlich Liedtexte meiner Lieblingsband Diorama herhalten.

An welchen Projekten arbeitest du gerade? Was beschäftigt dich?

Mein Projekt ist mein Haus, das wir vor einem halben Jahr bezogen haben. Das hat so viel Wandfläche zu bieten… und ein großes Treppenhaus… und einen Garten mit einem großen Holzzaun. Das will alles beschriftet werden.
Für mehr als das „normale“ Berufliche reicht die Zeit mit Kleinkind noch nicht. So musste ich auch eine Einladung zu einer Gemeinschaftsausstellung schweren Herzens ausschlagen.

Persönlich

Was ist für dich kleines Glück?

In meinen Materialien schwelgen, bis zu den Ellbogen in Acrylfarbe versinken und mich dabei nicht fragen zu müssen, ob sich das verkaufen lässt.

Hast du ein Morgenritual?

Mein Kind mit vollem Magen, geputzten Zähnen und angezogen in den Kindergarten zu kriegen, ohne zu verzweifeln.

Wie entschleunigst du deinen Alltag? Wobei entspannst du dich?

Beim Schreiben.

Welches Buch hat dich als letztes berührt?


Nachdem ich 38 Jahre jeden Tag gelesen habe, habe ich seit 3 Jahren außer zwei Erziehungsratgebern (was ein blödes Wort) kein Buch mehr in die Hand genommen. Eine Schande. Mein Allzeitlieblingsbuch ist und bleibt allerdings „Die Päpstin“. Und als Dumbledore den Turm herunterstürzte, habe ich Rotz und Wasser geheult – gilt das auch? „Terror“ von Ferdinand von Schirach muss auch noch erwähnt werden.

Führst du ein Skizzenbuch/Tagebuch/Journal?

Nein. Ich kaufe ständig welche, aber: nein. Vielleicht sollte ich langsam einsehen, dass das – ähnlich wie das Fitnessstudio – einfach nicht für mich bestimmt ist.

Perspektivisch

Was rätst du jemandem, der mit Kalligrafie anfangen möchte? Wo beginne ich, wie nähere ich mich dem Thema?

Ich werde das ständig gefragt und habe keine Ahnung. Wahrscheinlich sollte man tatsächlich mit den Grundlagen anfangen – woran ich mich selber nie gehalten habe. Und üben üben üben – woran ich mich selber auch nicht halte. Also, wer bin ich, dass ich da Tipps geben könnte? Haaaaa.
Jeder Mensch ist anders, lernt anders und lässt sich anders inspirieren. Ich persönlich brauche ab und zu einen Zwang, aus dem Gewohnten ausbrechen zu können, denn dafür fehlt im Alltag die Zeit – also mache ich mindestens 1x jährlich ein mehrtägiges Seminar. Das kann ich nur jedem raten.

Kalligrafie im 21. Jahrhundert: Wohin entwickelt sie sich? Welche Bedeutung hat sie?

Boah. Keine Ahnung. Kalligrafie hat schon so viel Zeit überdauert und solange es Menschen gibt, die Handgeschriebenes achten und wertschätzen, offen für Kunst sind und über eine gute Typografie in Verzücken geraten können, wird es sie geben, egal in welcher Form oder welchen Trends. Ich bin auf jeden Fall gespannt.

Hier findest du Sandra mit ihren Collagen, Schreibzauberein und Bildern

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1 Kommentar zu „Nachgefragt – Ein Interview mit Sandra Heimerzheim“

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