Seit Februar hat einer der Söhne eine offizielle Diagnose im Autismus Spektrum. Ein neurodiverses Gehirn. Zu dieser Diagnose führte ein langer Weg und eine lange Wartezeit. Irgendwann schreibe ich vielleicht mal ausführlicher darüber. Heute will ich nur eine kleine Geschichte aus unserem Alltag teilen. Mit seiner ausdrücklichen Erlaubnis.
Wir sitzen beim Essen. Der Sohn hat sich seinen Teller voll gemacht und geht weg (den Teller lässt er stehen). Als er wiederkommt, fragt ihn der Mann, was das denn für ein neues Feature von ihm sei, wo er denn immer hingehe, gerade nachdem er sein Essen auf den Teller geladen hat? – Na was trinken.
Wir haben in der Küche gleich neben dem Esstisch ein Waschbecken mit Wasserhahn. All unser Wasser läuft durch einen Grander-Wasserbeleber und schmeckt (für uns) gleich gut. Aber der Sohn trinkt, wenn er überhaupt Wasser trinkt, dann nur aus einem bestimmten Wasserhahn im ganzen Haus. Weil er findet, dass seit wir mal den Wasserhahn in der Küche austauschen mussten, das Wasser giftig schmeckt. Das Wasser im Bad wiederum hat die falsche Temperatur. Nur im kleinen Gästeklo ist das Wasser ok. Und zwar direkt aus dem Wasserhahn. (Wir haben alle möglichen Varianten probiert. Gekauftes Wasser, Abgefülltes und gekühltes Wasser… Wir hoffen, dass der Wasserhahn nicht auch noch getauscht werden muss.)
So kommt es, dass er beim Essen aufsteht und ins Gästeklo läuft, um zu trinken.
P.S.: Vielleicht noch eine Ergänzung zum Verständnis. Menschen im Autismus Spektrum sind häufig empfindlicher gegenüber Reizen bzw nehmen die Welt anders wahr. Die Filter im Gehirn sind durchlässiger, vereinfacht ausgedrückt. Beim Sohn ist oft der Geschmacks- und Geruchsinn betroffen, aber auch das Temperaturempfinden. Betroffene empfinden die Reize oft als so unangenehm, dass sie flüchten oder die Situation vermeiden. Wir kennen das z.B. beim Kochen, wenn bestimmte Speisen riechen. Dann betritt der Sohn so lange die Küche nicht, bis sich der Geruch wieder verflüchtigt hat und isst nicht mit uns. Essen mit bestimmten Gerüchen oder Konsistenzen oder einer „falschen“ Farbe isst er nicht. Manche Speisen isst er nur in Kombination/in bestimmten Speisen, findet sie einzeln aber ungenießbar (Kürbis in der Kürbislasagne, aber nirgendwo sonst. Käse auf der Pizza, aber nirgendwo sonst. Rotes Pesto nur mit einem bestimmten Rot-Ton.)
Hab vielen Dank für diesen privaten Einblick – für euch klingt es sehr anstrengend im Alltag, aber gleichzeitig finde ich selbst es sehr interessant, wie „intensiv“ er die Welt erlebt.
Guten Abend Ramona,
ich hatte eine Patientin, die erhöhte Aluminium- und Bleiwerte im Körper hatte. Wir hatten in ihrem Umfeld alles abgesucht. Auch die Wasserquellen im Haus. eine Quelle in der Küche war die Ursache. Der Wasserhahn am Spülbecken. Er hat Alu und Blei abgesondert (war aber ein Markenwasserhahn). Darum kann ich deinen Sohn verstehen, wenn er als „Spüriger “ manche Wasserquellen meidet..
Euch viel Kraft und noch schöne Ferien.
vielen lieben Dank fürs TEILEN. So wertvoll. Zu lesen wir sind nicht alleine unterwegs mit den Besonderheiten der Kinder. Bei uns ist es Quellwasser was noch geht. Gott sei Dank haben wir eine Quelle in der Nähe und holen sein Trinkwassser dort für daheim. Unterwegs ist er entsprechend ausgestattet mit Wasser von daheim.
Kurze Hosen so lange es geht in den Winter hinein, TShirts gestehe ich das ganze Jahr über zu …
Morgens mit Jacke ausm Haus nach wenigen Metern fliegt sie in den Rucksack 😉
Lange Wartezeiten überall …Wir sind als „Notlösung“ an einer Klinik angebunden und dort sehr gut versorgt. Dafür nehme ich lange Wege auf mich. Wohnraumnah (unter 70 km) gibt es nix.
Therapie wird vermutlich erst 2025 was bei uns … Auf der Warteliste stehen wir schon seit 2023.
Ich sende dir liebe Grüße. Und nein, wir sind nicht allein. Ich kenne mittlerweile so viele Betroffene und bin wirklich dankbar, wieviel Beratung und Hilfe es doch auch gibt.