Unterwegs in Weimar – KZ Buchenwald

Mein Wochenende in Weimar liegt nun schon einige Wochen zurück. Die Erinnerungen an diese schöne Auszeit gehen langsam im rappelvollen Alltag unter. Deshalb schaue ich mir immer mal wieder die Bilder an und denke mich zurück an die reich gefüllten, aber auch berührenden Tage. Berührend vor allem, weil wir die Gedenkstätte Buchenwald besucht haben. Ich war als Kind schon einmal dort, habe aber kaum Erinnerungen an den Besuch. Ich erinnere mich an eine Baracke mit Stockbetten und kratzigen Decke. Die haben wir dort diesmal aber gar nicht gesehen.

Von Weimar aus fährt ein Bus nach Buchenwald. Schon bei der Hinfahrt wurde mir mulmig als ich Wegweiser zum Ort des Schreckens lese. Was wird mich erwarten? Wie reagiere ich darauf? Als der Bus auf der sogenannten „Blutstrasse“ beschleunigte, kam mir alles so unwirklich vor. Wie kann er da einfach so lang fahren, über diese von brutal und erbarmungslos angetriebenen Häftlingen zwischen 1938 und 1939 ausgebauten Zufahrtsstrasse zum Konzentrationslager. Die „Blutstrasse“ ist ungefähr 5 Kilometer lang und wurde von den Häftlingen so genannt. Ein Teil dieser Betonstrasse ist noch original erhalten.

Wir starteten unsere Tour zu Fuß entlang der Trasse der ehemaligen Bahnlinie Weimar-Buchenwald, den Gedenkweg Buchenwaldbahn. Das Wetter war wechselhaft, Eishagel peitschte uns zeitweise ins Gesicht, Veilchen steckten schon ihre Blüten zum Himmel. Ein surreales Szenario, wo hinein sich immer wieder innere Bilder des Schreckens von damals mischten. Wie haben die Häftlinge empfunden? Wie haben sie den grünenden Buchenwald und die Frühblüher empfunden während sie zur Arbeit getrieben wurden. Schwer vorstellbar. In meinem Kopf sind diese Bilder schwarz-weiss mit abgemagerten traurigen Gesichtern. Das in eine leuchtende Landschaft vorzustellen fällt mir schwer.

Betroffen liefen wir entlang der alten Trasse, vorbei an Steinen mit eingravierten Namen. Alles Menschen, die hier hier Leben lassen oder unfassbar leiden mussten. An manchen Stellen war das Gleisbett noch erhalten. Vorbei am anonymen Gräberfeld des sowjetischen Speziall-Lagers, was erst 1989 der Öffentlichkeit bekannt und mit Stahlstehlen im Wald markiert wurde, kamen wir zum Bahnhof.

Das Konzentrationslager

Vom Bahnhof aus gingen wir Richtung Lagertor mit der bekannten Inschrift „Jedem das Seine“. Die Turmuhr zeigt den Moment der Befreiung Buchenwalds – 15.15 Uhr am 11. April 1945. Das Wetter bot die passend dramatische Kulisse für diesen Ort des Grauens. Die Weite des Geländes mit all den Häusern und logistischen Einrichtungen, Baracken und Unterkünften überwältigt mich. Wie konnte das passieren? So viele tausende Menschen, die hier leiden mussten.

Die Häftlingsbaracken wurden in den 1950er Jahren abgerissen und durch Steine mit Blocknummern ersetzt. Einzelne Gebäude, wie Krematorium, Desinfektionsgebäude und das Kammergebäude stehen noch und werden für Ausstellungen und Besichtigungen genutzt. 

Kunst: Überlebensmittel – Zeugnis – Kunstwerk – Bildgedächtnis

Weil das Gelände viel zu groß ist, um es in der wenigen Zeit zu erfassen, beschlossen wir nur einige ausgewählte Orte zu besuchen. Der Bus fuhr an diesem Tag im zwei-Stunden-Takt zurück nach Weimar. Den wollten wir nicht verpassen. Wir entschieden uns für die Kunstausstellung. Welche Rolle spielt Kunst als Hoffnung, Zeugnis und Überlebensstrategie?

Die Ausstellung hat mich sehr berührt. Noch einmal eindringlicher als Fotos wirken die vergilbten Zeichnungen mit Szenen aus dem Häftlingsalltag. Portraits von sterbenden Mithäftlingen, Arbeiter und Flüchtende. Unfassbarer Schmerz, aber auch Menschlichkeit, Humor, Hoffnung und Leben.

Besonders beeindruckt hat mich eine erhaltene Barackenwand, auf die mit Flugzeuglack eine Bergszene gemalt wurde, um sich mit Bildern an einen anderen, hoffnungsvolleren Ort zu transportieren. Schönheit tröstet.

Skizzenbücher und Texte von Inhaftierten über den Lageralltag gingen mir sehr nahe. Nicht nur über den Schrecken, sondern auch über die kleinen Hoffnungsmomente, die Wertschätzung eines frischen Bades oder sauberer Kleidung. Über die Komik in der Situation, sich mit geschorenem Haar gegenüber zu stehen und nicht mehr zu erkennen. Ja, auch im Schrecken gibt es diese Hoffnungsfunken, ein Lachen und Wärme.

Am Glockenturm

Nach dem Besuch der Ausstellung gingen wir Richtung Glockenturm, um von dort den Bus zurück nach Weimar zu nehmen. Mittlerweile waren wir schon ein bisschen durchgefroren vom eisigen Wind und die meiste Zeit sprachlos über diesen Ort und seine Geschichte.. 

Der Glockenturm ist Teil einer riesigen Mahnmal-Anlage mit großen Ringgräbern, die in den 1950er Jahren unter der Regierung der DDR errichtet wurde. Der Stil kam mir wohl deshalb so seltsam vertraut vor. Richtig erfassen kann man das gigantische Ausmaß nicht. Es will nicht in meinen Kopf passen, was dort (und an vielen anderen Orten) passiert ist. 

Der Besuch in Buchenwald hat mich sehr still und demütig gemacht. Er klingt noch nach. Immer wieder bin ich dankbar, wie gut es mir geht. Immer wieder frage ich mich aber auch: Was kann ich beitragen, dass so etwas nicht wieder passiert? Wo darf ich mutig den Mund aufmachen, eine Haltung einnehmen oder auch Hoffnung schenken. Was ist meine Aufgabe im Puzzleteppich der Geschichte? Ich habe große Achtung vor dem, was die Inhaftierten, Verfolgten und Gequälten aushalten mussten. Achtung davor, wie sie stark waren, wie sie um ihre Würde gekämpft und sich am Leben erhalten haben. Mit Kunst, Glaube und Menschlichkeit.

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