Buchtagebuch | Gemeinschaft, Austausch, Format

An meiner Wand habe ich mit Reißzwecken ein großes Blatt Papier befestigt. Dann, in einer Sportpause, flossen die Worte aus mit heraus: Meine Masterlist existiert nun. Dort notiere ich alle Fragmente, Gedanken, Worte und Ideen, die mir zum Buch kommen. Momentan ist es noch ein ungeordnetes wildes Durcheinander. Nicht alles wird am Ende ins Buch fliessen. Manche Themen für sich rufen nach einem weiteren. Aber es kristallisiert sich ein roter Faden heraus, Verknüpfungen der Themen untereinander. Wie will ich sie miteinander in Verbindung bringen, wie ein großes Ganzes daraus schaffen? Will ich in Kapiteln und Sinneinheiten arbeiten oder als Zeitleiste? Es wird sich ergeben. Trust the process.

Ich habe mich an ein paar alte Foto erinnert, die ich gemacht habe, bin meine Mappe aus Studienzeiten durchgegangen auf der Suche nach den Unterwasserfotos in der Ostsee. Stattdessen habe ich einige andere wichtige Bilder gefunden, die eventuell in der ein oder anderen Weise in die Gestaltung einfliessen werden. Manchmal habe ich schon eine Ahnung von visuellem Ausdruck, der vor meinem inneren Auge entsteht. Ein erster Wegweiser für etwas auf Papier.

“We all want the same things – to be loved, to be seen, and to belong.” Jennifer Rudolph Walsh

Hungry Hearts

Inspiriert vom Podcast, den ich im letzten Tagebucheintrag vorgestellt habe, habe ich mir das Buch “Hungry Hearts” bestellt. Das ist eine Sammlung von Essays über Mut, Verlangen und Zugehörigkeit. Auch da steht am Anfang:

“I believe in my bones that authentic storytelling is a radical act of love that can connect and heal our fractured world. For it to work, we need your story too. Together, we rise.” Jennifer Rudolph Walsh

Ich schreibe das hier auf für die Zeiten, wo ich daran zweifle, warum ich das alles mache. Wenn ich denke, dass sich eh niemand dafür interessiert, was mich in meinem Inneren bewegt. Und dass ich zu klein und unbedeutend bin, um einen Unterschied zu machen.

Noch ein paar Fragen aus dem Buch, die ich mir unterstrichen habe: “What do our deepest heart’s desires say about who we are? What does the hunger in our hearts motivate us to do? When we listen to what our hearts have to say, what do we hear?”

Gemeinschaft

Nachdem mein Fokus in den letzten Wochen beim Meer, bei der Ostsee war, ist es nun die Gemeinschaft. In welchen Gemeinschaften habe ich gelebt und welche Rolle haben sie für mich gespielt? Was hat sie ausgemacht und was von dem, was ich ersehne und bedarf, habe ich dort gefunden. Wo halte ich an alten Erinnerungen fest, die mich unfrei machen? Was kommt jetzt? Wo stehe ich?

Aber auch, wie groß sind die Gemeinschaften, welche Menschen sind mir darin wichtig, wie viele Menschen einer Gemeinschaft sind mir wichtig? Wie gleichförmig und homogen ist eine Gemeinschaft und wieviel Individualität ist innerhalb der Gruppe möglich. Welche Beziehungen habe ich gepflegt? Was verbindet die Gemeinschaft (ein gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Ideologie, ein Glaube…)? Wie zeigt sich die Gemeinschaft nach aussen?

Da sind wir dann bei Symbolen, Uniformen und Kleidung. Wie grenzt sich die Gruppe ab? Was macht mich zugehörig, was zur Aussenstehenden? Gibt es Aufnahmerituale? Stärkende Aktivitäten? Verbindendes Tun?

Größe zeigen

In unserem Buchgruppentreffen haben wir über Bescheidenheit und Größe gesprochen. Zuerst ging es um Größe und Format des Buches. Wie groß soll es sein und welche Aspekte spielen da hinein? Praktikabilität vs Einzigartigkeit, Auflagenhöhe, Herstellungskosten, Besonderheit. In welchem Format zeigen wir uns und unsere Arbeiten? Auch nicht in einem Buch. Arbeiten wir klein oder trauen wir uns, groß zu werden, Größe zu zeigen. Bleiben wir im stillen Kämmerlein oder trauen wir uns in Gallerien. Stehen wir zu unserer Kunst oder reden wir sie klein? Wo steht uns unsere Bescheidenheit im Wege?

Ich habe mir jetzt als Format erstmal 13,5 x 21 cm notiert, weiss aber noch nicht, ob es das finale Format sein wird. Daran gefällt mir, dass es so handlich ist. Kein schwerer Kunstband, sondern eher ein Format für Handtasche und Nachtkästchen. Ich nehme immer mal ein Buch aus meinem Regal, wiege es in den Händen und blättere durch. Stelle mir vor, wie es sich anfühlt, wenn das meins wäre. Heute kam das Jón-Magazin aus England. Das hat 15 x 21 cm, was mir fast noch besser gefällt. Haptisch ist es zwar eher ein Katalog, aber das Format gefällt mir. Ich habe es mir eigentlich nur wegen der Fotostrecke und dem Interview wegen Tom Ellis bestellt, nun finde ich das Magazin ein wichtiges Puzzlestück im Buchprozess. Nicht nur wegen der Größe.

Creative Activation

Als wir über Bescheidenheit und Größe gesprochen haben, fiel mir ein, dass ich große Freude daran hatte, mit Farbe auf der Papierbahn zu experimentieren. Das wollte ich wieder tun, diesmal mit Spuren aus Tinte auf Papier. Ich habe also im Garten mein Papier ausgerollt und mit Pinseln aus Gras und den vom Hagel abgefetzten Blumenresten gespielt. Was tat das gut! Die Bahnen werde ich nun wieder in kleinere Stücke schneiden und als Hintergründe und Basis für weitere Gestaltung nutzen.

Als nächstes möchte ich ganz konkret an den Texten arbeiten. Geschichten schreiben, die erzählt werden wollen, “dirty first drafts” (das ist ein Begriff aus “Bird by Bird” von Anne Lamott für die erste Rohversion eines Textes),  schon vorhandene Texte auswählen. Ich weiss noch nicht genau, in welche Form ich sie bringe. Vielleicht ein Schreibheft? Oder einen Block? Direkt in den Computer (nicht sinnlich genug! Zu wenig Gestaltungsspielraum!)?

Ausserdem habe ich mir überlegt, dass ich es sinnvoll finde, wenn ich jemanden habe, mit dem ich mich über mein Buchprojekt austauschen kann. Ich glaube, mit einem Gegenüber und in der Auseinandersetzung gewinne ich mehr Klarheit und Tiefe. Mal sehen, wie das gehen kann. Wenn du also hier mit liest und Fragen hast, bitte stell sie mir. Denn in den Fragen entstehen Antworten und Gedanken, auf die ich selbst vielleicht gar nicht kommen würde.

Zum Liberate-Kurs gab es für Sofort-Zahler*innen eine Tasche mit Kunstdruck von Sabrina Ward-Harisson. Die ist dieser Tage bei mir angekommen.

Buchtagebuch – vorherige Tagebucheinträge

29.Mai 2021 | Storytelling, das Meer und Bücher

9.Mai 2021 | Zeit finden, Sammeln, Zusammenstellen


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