Nachgefragt – Ein Interview mit Katharina Ostenda

Nachgefragt ist eine Interviewreihe mit anderen KalligrafInnen und SchriftkünstlerInnen. Ich finde es selbst sehr inspirierend, mich mit KollegInnen auszutauschen, einen Einblick in ihre Arbeitweise und Motivation zu erhalten.

Katharina zeigt ihre Arbeiten auf Instagram unter dem namen Poesiefeder. Treffender könnte der Name nicht sein, den poetisch ist jeder einzelne Buchstabe. Ich habe Katharina in einem Kurs mit Yves Leterme getroffen und bin immer wieder fasziniert von der Eleganz ihrer Arbeiten, ihrer Disziplin und ihrer Begeistertung für die Details.

Liebe Katharina, danke, dass du uns einen Einblick in deine Arbeit und deine Motivation gewährst.

Instagram | Poesiefeder

Katharina Ostenda

Schriftlich

Wie kam Kalligrafie in dein Leben?

Ich studierte Grafikdesign mit Schwerpunkt Schrift und Illustration an der Fachhochschule Düsseldorf. Schrift und Gestaltung haben mich immer schon fasziniert, aber mit Kalligraphie beschäftige ich mich erst seit Ende 2013. Es war ein Zufall… Ich habe das Buch von Andreas Schenk “Die Stille Kunst eine Feder zu führen“ im Internet entdeckt und sofort gekauft. Es war mein erstes Buch zu dem Thema. Meine erste Dozentin war Frau Alexandra Remmes – eine Kalligraphin aus Düsseldorf, der ich in einer Werbeagentur begegnet bin.  Sie ist leider vor 5 Jahren (2015) verstorben.

Was bedeutet Kalligrafie für dich?

Wenn ich nicht schreibe, kann ich nicht atmen…
Kalligraphie ist für mich Stille, Glück, Loslassen, Dankbarkeit, Demut… ein heiliger Ort nur für mich.

Wenn du nur mit drei deiner Schreibwerkszeuge arbeiten dürftest, welche wären das?

Mein liebster Werkzeug ist ein Bleistift HB oder F, neben einer Spitzfeder und den Werkzeugen, die uns die Mutter Natur bietet, wie z.B. Piniennadeln.

Vielleicht auch der Cutter für die Prägeschablonen.

Wie kommst du am besten in einen kreativen Schaffensmodus? Und wie schaffst du es, aus einer Schaffensblockade rauszukommen?

Ich brauche immer Ordnung und Stille um mich herum. Bevor ich anfange, muss ich viel Platz in meinem Arbeitsraum schaffen (Luft zum Atmen). Das Aufräumen macht gleichzeitig meinen Kopf frei für neue Ideen.

Woher bekommst du deine Ideen/was inspiriert dich? 

Ich liebe die Spaziergänge in der Natur. Mein Haus liegt sehr nah am Rhein, in einem Naturschutzgebiet. Das ist meine Inspiration… Oft aber auch interessante Bücher oder Texte, die ich entdecke.

Welche Texte und inhaltliche Schwerpunkte finden in deine Arbeit? 

Ich bin nicht sicher, ob meine Arbeit Schwerpunkt hat, da ich mehr mit dem Üben an sich beschäftigt bin. Langsam wird aber ein Pfad sichtbar… Stille ist vielleicht mein Thema.
Ich liebe auch stille und filigrane Arbeiten mit großartigen Lettern auf schönen Papieren. Die Haptik ist für mich wichtig. Die Hintergründe lenken manchmal von den Buchstaben ab und erscheinen etwas schwer.
Die Arbeiten von Peter Thornton, Jurgen Vercaemst, Pieter und Kristoffel Boudens begeistern mich.
Aber ich mag auch zarte abstrakte Werke und bin immer sehr aufgeregt, wenn ich daran arbeite. Es kann schnell einfach nur plump aussehen. Stundenlang verbringe ich mit den Details.

An welchen Projekten arbeitest du gerade? Was beschäftigt dich?

Ich beschäftige mich gerne mit gezeichneten Buchstaben… Das Design ist für mich sehr entscheidend.
Aber auch mit dem Wort „Stille“ und einigen Gedichten von Rose Ausländer, die ich einfach liebe… Mein großes Projekt in der nahe Zukunft ist aber meine Webseite.

Persönlich

Was ist für dich kleines Glück?

Meinem Sohn beim Klavierspielen zuhören, mit Fahrrad unterwegs sein und ungestört schreiben können…

Im Moment freue ich mich sehr über die Veröffentlichung in der diesjährigen von der Jury prämierten Ausgabe der amerikanischen Kalligraphie-Zeitschrift Letter Arts Review.

Hast du ein Morgenritual?

Ich liebe es eine Tasse Espresso am Morgen zu trinken und dabei aus dem Küchenfenster in die Natur zu schauen. 

Wie entschleunigst du deinen Alltag? Wobei entspannst du dich?

Mein Alltag ist oft sehr arbeitsintensiv. Ich entspanne mich gerne mit kurzen Spaziergängen in der Natur oder beim Fahrradfahren.

Welches Buch hat dich als letztes berührt?

„Die Frau, die nein sagt“ – ein Buch von Françoise Gilot über ihr Leben mit und ohne Picasso, ihre Kunst und ihre Sichtweisen.

Führst du ein Skizzenbuch/Tagebuch/Journal?

Nein. Ich finde es zwar toll (manche Skizzenbücher sind richtige Kunstwerke), aber ich komme nicht dazu. Meine Ideen und Skizzen sind überall verteilt … Ich arbeite noch dran.

Perspektivisch

Was rätst du jemandem, der mit Kalligrafie anfangen möchte? Wo beginne ich, wie nähere ich mich dem Thema?

Da ich nicht viele Kurse besucht habe und viel autodidaktisch lerne, kann ich aus meiner Erfahrung sagen:
Beginnen sollte man mit dem, was einen anspricht… Spaß an den Übungen ist sehr wichtig, damit man nicht die Lust verliert. Ausdauer und Passion sollte man mitbringen. Aus guten Büchern lernen.
Da steht sehr viel drin. Bei allen Buchstaben, die Weißräume beobachten (sehr wichtig!) Hin und wieder einen Kurs besuchen, lohnt sich natürlich sehr.

Vor einigen Tagen habe ich einen tollen Tipp entdeckt. Kalligraphie lernen in nur 3 Schritten:

Schritt 1: Üben
Schritt 2: Üben
Schritt 3: Üben

Kalligrafie im 21. Jahrhundert: Wohin entwickelt sie sich? Welche Bedeutung hat sie?

Das Interesse an Kalligraphie und Handschrift ist stärker geworden. Die Menschen sind fasziniert von dem Zauber, der von den handgeschriebenen Arbeiten ausgeht. Es gibt sehr viele unterschiedliche Richtungen in der Kalligraphie. Sie kann als Kunst, als Handwerk oder als Dienstleistung ausgeübt werden.

Eine sehr gute Basis ist aber für alle Richtungen die Voraussetzung für das Gelingen. Die Qualität der Linie steht immer im Vordergrund.

 

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