Tagebuch – Haltung

Mit meiner Künstlerpaktfreundin hatten wir gerade das Thema Wut. Wir werfen uns gegenseitig wöchentlich ein Wort zu und schreiben, gestalten und sinnieren dazu. Das ist ein spannender Prozess, denn die Wortfunken wirken immer über die künstlerische Gestaltung hinaus, bringen Innenleben und verborgene Themen ans Tageslicht.

Letzte Woche war es also Wut. Wut hat für mich viele Schichten. Trauer, Ohnmacht, Scham – alles kann darunter liegen. Einen Satz, den ich gelesen habe, fand ich besonders schön. Den lasse ich mir noch eine Weile durch den Kopf gehen. 

“Wut ist eine Energie, die unsere Integrität schützt.” 

Beim Sensory Awareness dann überraschte mich meine Wut. Zu Beginn teilen wir immer, was in der Zeit zwischen unseren Treffen gewesen ist, was uns beschäftigt und was wir mitbringen. Mir fiel auf, dass ich ein paar Tage über mich hinweggegangen war. Einfach dem Alltag und seinen Notwendigkeiten folgend. Ich habe mehr Schokolade und Süßes gegessen als ich sonst tue. Mehr Instagram gescrollt und rumgehangen. Und es nicht bemerkt. Erst im Rückblick, in der Reflexion der vergangenen Tage ist es mir aufgefallen. Körperlich macht sich das bemerkbar: ich werde weinerlich, meine Atmung steckt fest, ich bin angespannt und eng. Ich hätte es also bemerken können, dass etwas nicht stimmt. Schon seit dem Gespräch mit dem Kindertherapeuten letzte Woche. Dass da etwas arbeitet in mir.

Im Kurs suchte es sich seinen Weg nach draussen. Mit Wut, aber auch einer Art von Entschlossenheit. Der Gewissheit, dass ich Haltung brauche, um der Wut zu begegnen. Dem Leben zu begegnen. Haltung ist mein Jahreswort. Ich experimentierte mit Haltung. Mit Hilfsmitteln, die mir zu Haltung verhelfen (im Sensory Awareness sind das zB kleine Sandsäckchen, die ich mir auf den Kopf legen kann). Es folgten viele Tränen, tief verkörperte Erkenntnisse, die ich hier gar nicht genau beschreiben kann. Dann Ruhe. Und noch mehr Tränen. Diesmal keine wütenden mehr, sondern eine tiefe Trauer über ein Familienthema, eine Vorstellung, die ich habe und eine Situation, die es zu tragen gilt. 

Es tat gut, die Trauer zu sehen, zu spüren, zu erkennen. Und damit gesehen werden. 

Selbstwertschätzung

Nach ein paar Pause-Tagen hier im Blog, gibt es ausserdem drei selbstwertschätzende Punkte, die ich gern teilen möchte. Den Post hatte ich vor einer Woche begonnen und an dieser Stelle aufgehört. Deshalb ergänze ich einfach aus der Sicht von heute, worauf ich in den vergangenen Tagen stolz war, wofür ich mich wertschätze.

1. Pause und Innehalten

Nachdem ich mich selbst eine Weile überrannt habe, konnte ich einen Stop einlegen. Ich habe das Rad angehalten, war im Garten Blumen pflücken und habe Dinge getan, die Langsamkeit und Kraft in mein Leben bringen. Und ich habe in meinem Kurs ehrlich darüber geredet. Das war Anfangs eine ganz schöne Überwindung, denn schliesslich bin ich Kursleiterin und erwarte von mir selbst ein hohes Maß an Professionalität. Das schliesst jedoch mein Mensch sein nicht aus. Eines meiner fünf höchsten Wert ist Authentizität. Ich erkenne an, dass es mir gelungen ist, das zu leben.

2. Social Media

Es gibt Blogs und Instagram Accounts, denen ich folge und die ich lesen, die mir aber meistens nicht gut tun, weil sie etwas in mir anklingen, was Neid, Wut oder andere Gefühle des Mangels in mir erzeugen. Irgendwie lese ich aber dennoch immer wieder mit. Das ist wahrscheinlich wie bei einem Unfall hingucken, obwohl man weiß, dass es furchtbar ist. In den letzten Tage habe ich das immer besser erkannt und habe diese Accounts extra nicht angesteuert. Darauf bin ich sehr stolz. Manchmal ist noch so ein Automatismus da, den Namen in die Browserzeile einzugeben, aber ich bemerke es und erinnere mich daran, wie ich mich fühlen will und wie nicht.

3. Ich mache wirklich großartige Arbeit.

Auch, wenn ich nicht so oft hier öffentlich darüber geschrieben habe, konnte ich täglich viele Dinge finden, wofür ich mich schätze, worauf ich stolz bin und wofür ich mich liebe. Ich habe riesige Freude an den Impulsen für den Selbstwertschätzungskurs. Mit dem, was da über die vergangenen Wochen zusammengekommen ist, habe ich einen riesigen Schatz an Kurs geschaffen, der so wertvoll ist, dass ich jedesmal lächle, wenn ich mich um die Inhalte kümmere. Das Video-Aufnehmen und -Schneiden macht mir viel Freude, die Fotos und Gedanken zu sammeln auch. Ich mache wirklich großartige Arbeit.

Hat dir der Beitrag gefallen? Wie StrassenkünstlerInnen der Hut, steht hier im Blog eine virtuelle Teekasse. Wenn du magst, kannst du mir einen Tee ausgeben. Oder Farben und Papier. Danke für die Wertschätzung <3

2 Kommentare zu „Tagebuch – Haltung“

  1. Danke für Dein ehrliches Teilen!
    Integrität ist auch so ein Wort, welches ich erstmal googeln müsste um es ganz zu erfassen:
    Davor interpretiere ich den Satz so: Wut entsteht, wenn jemand die Grenzen meiner Werte übertritt…
    Im Moment spüre ich oft Wut in Hinblick auf den Rasenmäherlärm und das Versiegeln von Flächen. Spreche ich das aus und es kommt sofort ein ‘ ja aber’ dann fühle ich mich nicht gesehen und (in meiner Integrität?) verletzt. Achte ich in solchen Situationen und danach nicht gut auf mich folgt oft eine Zeit der Depression…Kennst Du sicher auch?…

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