Posaunen und Trompeten haben nicht nur mein herz am Wochenende zum Landesposaunentag in Nürnberg zum Klingen gebracht. Mit zwei anderen Trompetereinnen aus unserem Posaunenchor habe ich die Reise ins Unbekannte gewagt und mich unter 2000 Bläserinnen gemischt. Ein ganzes Wochenende Blasmusik, dass mir die Gänsehaut nur so über den Körper lief. Ich kann da nicht anders, als mit offenem Herzen und laufenden Tränen ergriffen in der Mitte stehen.
Auftakt in ein klangvolles Wochenende
Bereits am Freitag trafen sich die Bläser*innen am Hauptmarkt vor der großen Bühne zur gemeinsamen Probe, um später das Wochenende zu eröffnen. Zahlreiche Workshops, Konzerte und Musik an allen Ecken war geboten. Ich habe nur einen Bruchteil des Programms mitgenommen, damit ich ausreichend Pausen zum verarbeiten und geniessen hatte.
Nach der Eröffnungsfeier verbrachte ich den Abend in meinem Hotel. Für Reisen nehme ich am liebsten ein Zimmer im Motel One. Ich mag den durchgehenden Standard, das Design und das Frühstück. Meine derzeitigen Bemühungen, wieder zu einer durchgehend veganen Ernährung zurückzukommen fand ich mit dem Angebot im Hotel unterstützt. Auch in Nürnberg selbst konnte ich in jedem der besuchten Restaurants ein entsprechendes Gericht finden.
In meinem Hotelzimmer nutzte ich die Ruhe am Vormittag, um noch an meinem Kurs zu arbeiten und in Ruhe meine Coaching-Hausaufgaben zu machen. Ich habe sehr genossen, ungestört und selbstbestimmt Zeit zu verbringen. Ich hätte locker noch eine Woche dranhängen können. Der Abstand vom Alltag lässt meine Ideen fliessen und schenkt mir neue Kraft. Das merke ich immer wieder und nehme mir jedes Mal vor, das öfter einzubauen.
Gegen Mittag traf ich mich mit meinen beiden Mit-Trompeterinnen aus unserem Posaunenchor an der Marthakirche zu einem Workshop mit Jens Uhlenhoff, der viele Stücke für Posaunenchöre komponiert. Unser Chorleiter hatte uns dafür angemeldet. ich wusste nicht, was mich erwarten würde und ob ich nicht vielleicht überfordert bin. Schliesslich spiele ich noch nicht so lange.
Wie Komponisten arbeiten
Am Eingang bekamen wir einen Satz Noten für den Workshop, wurden nach unserer Stimme gefragt (Alt) und entsprechend im Raum platziert (Mitte rechts). Ich sass neben der Frau des Komponisten. Während des Workshops spielten wir verschiedene Stücke aus seinem Repertoire. Zwischendrin erzählte Jens Uhlenhoff immer wieder kleine Anekdoten zu den Werken: was der Auftrag und seine Inspiration dazu waren, was er sich dabei gedacht hat und welche Stimmung er erzeugen will. Oder wie vorangehende Takte auf einen bestimmte Harmonie, einen Klang oder Ton hinführen.
In einigen Stücken hat er zum Beispiel das Thema Flucht bearbeitet. Es gibt bestimmte Bibelstellen, die er da einbezogen hat, Choräle und Stimmungen. Das erinnerte mich ein bisschen an die kalligrafischen Arbeiten von Frank Fath und Jasna Wittman zu Ausstellung „Von der Fremde in die Fremde reisen“. Überhaupt ist es immer wieder spannend die Verbindung zwischen Musik und Kalligrafie zu betrachten. Direkt oder indirekt gibt es da viele Parallelen. Dazu gibt es auch ein schönes Buch von Gottfried Pott „Schrift, Bild und Klang“ oder die aktuelle Arbeit von Sigrid Artman „Soul – Kalligrafische Notationen“ (das Buch ist gerade erschienen und kann bei ihr in limitierter Auflage erworben werden)
Den Workshop fand ich sehr unterhaltsam und spannend. Am Ende war ich über mich selbst erstaunt, wieviel ich doch vom Blatt mitspielen konnte. Und was ich nicht spielen konnte, da hab ich einfach ausgesetzt und zugehört. Der Workshop hat mir richtig viel Spaß gemacht. Und die Marthakirche ist wunderschön!
Überhaupt hab ich viele Kirchen gesehen an dem Wochenende. Davon hat Nürnberg ja einige. Besonders hübsch fand ich auch die kleine St.Klara Kirche. Ein stilles Kleinod, wenn man sie von der trubeligen Fußgängerzone aus betritt.
Attraktive Bläser und beschwingende Musik
Nach einer Stärkung zum Mittag (vietnamesisch) ruhte ich mich ein bisschen im Hotel aus, um später zu einem Konzert der Band „Salaputia Brass“ in der Lorenzkirche zu hören. Attraktive junge Männer mit Blasinstrumenten, die geistliche und weltliche Klänge zum Besten gaben und sehr unterhaltsam durch den Abend moderierten. Fast ein bisschen zu kurz. Hat mir gut gefallen!
Während des Konzerts habe ich keine Fotos gemacht. Es hat mich fast ein bisschen gestört, dass immer wieder Menschen mit erhobenem Handy mitfilmten oder aufstanden, um Fotos zu machen statt einfach den Abend zu geniessen. Das hat mich etwas nachdenklich gestimmt.
Ich habe auch im Nachgang darüber nachgedacht, was es mit mir gemacht hat, dieses Wochenende zu erleben und es mit niemandem direkt teilen zu können. Meine Emotionen, mein Berührtsein und meine Freude. Das alles für mich zu behalten. Ich verstehe so sehr das Bedürfnis, das Erleben direkt mit jemandem zu teilen. Und heute tut man das wohl über Videos und Fotos.
Ich darüber mit meiner Coach gesprochen und fand sehr schön, was sie dazu gesagt hat. Dass ich in diesem Moment eine Berührung mit dem Göttlichen erlebe und deshalb so bewegt bin. Mein Körper ist ein Instrument und das, was ich erlebe und wahrnehme will ausklingen und schwingen. Ihre Frage war: „What needs to happen to complete the experience?“ – Was brauche ich, um diese Erfahrung vollständig zu machen?
Vielleicht ist das der Grund, warum ich schreibe, male und zeichne. Weil eine Erfahrung vollständig werden will. (Nicht nur die des Wochenendes).
Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Lukas 6,45
Nach dem Konzert war ich echt müde, sodass ich mich dafür entschied, nicht noch die abendliche Serenade am Hauptmarkt zu besuchen (oder gar mitzuspielen). So viele Emotionen, Klänge, Eindrücke und Aktivitäten wollten erstmal verarbeitet werden. Ich zog mich ins Hotel zurück.
Feierlicher Abschluss
Nach Frühstück und etwas morgendlicher Arbeit im Hotel checkte ich am Sonntag aus, um zu den Proben für den großen Gottesdienst zum Hauptmarkt zu gehen. Dort probten die Bläser*innen mit 4 Dirigenten das Programm, was den Abschluss des Wochenendes bilden sollte. Nach ca. einer Stunde hatten wir noch eine kurze Pause, dann ging es zum Finale: der festliche Gottesdienst mit Musik in alle Himmelsrichtungen. Was ein großartiges Gefühl, da einfach mittendrin zu sein. Ich habe nicht alles mitspielen können, aber viel Spaß gehabt, bei dem, was ich schon konnte. Mich immer wieder reingefunden oder auch mal nur zugehört.
Mit Bläserklängen im Ohr, beschwingt im Herzen, aber auch erschöpft kam ich dann am Sonntag wieder zu Hause an. Jetzt brauche ich ein paar Tage, um mich wieder zurück in den Alltag zu finden. Die Auszeit hat mir gut getan und mich neu inspiriert. Jetzt bin ich genug „durchmenscht“ und würde am liebsten alle weiteren Feste und Treffen absagen. Mache ich natürlich nicht, achte aber sehr auf Pausen und Rückzug, damit ich dann wieder präsent sein kann.
Bemerkenswert
Mir hat die gesamte Organisation des Events sehr gut gefallen. Das Programmheft war übersichtlich und gut gestaltet. Die Kommunikation im Vorfeld (wir haben Noten, Teilnehmerausweis mit Fahrkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel, Eintrittskarten und Programmheft zugeschickt bekommen) und den Ablauf habe ich sehr professionell und durchdacht erlebt. Das Leitsystem war übersichtlich. Trotz der vielen Menschen habe ich mich nie orientierungslos oder unsicher gefühlt. Es gab kostenlose Brezen in der Probenpause und jederzeit hilfsbereite Ordner*innen (Randgeschichte: am letzten Tag sassen wir für den Abschlussgottesdienst sehr ungünstig an einem Gulli, der je nach Windrichtung ganz übel gestunken hat. Hier waren schnell Helferinnen zur Seite, die uns mit Mülltüten versorgten, damit wir für die zeit des Gottesdienstes die Stinker abdecken konnten).
Hat dir der Beitrag gefallen? Wie StrassenkünstlerInnen der Hut, steht hier im Blog eine Teekasse. Nur eben virtuell. Wenn du magst, kannst du mir einen Tee ausgeben. Oder Farben und Papier. Danke für die Wertschätzung <3
Vielen Dank für diesen schönen vielschichtigen Artikel.
Ich finde es immer wieder toll, wie gut Du (auf) Deine Bedürfnisse achtest
und auch bewusst Programmpunkte cancelst. Das kann ich mittlerweile auch ganz gut,
merke aber immer wieder, wie traurig mich das trotzdem macht, weniger belastbar zu sein.
Danke auch für Deine Reflektionen zum Thema ‚Teilen von Eindrücken‘ und der Coachfrage:
“What needs to happen to complete the experience?” – Was brauche ich, um diese Erfahrung vollständig zu machen?
Sehr spannend. Auch unter dem obigem Aspekt: Braucht es das überhaupt, dass eine Erfahrung vollständig ist? Und warum? Wie kann ich sie für mich vollständig machen? Das hat so viele Facetten, danke fürs Aufgreifen. Darüber werde ich sehr gern weiter reflektieren.
Sommerliche Grüße,
Andrea
Ja, es ging bei der Frage vor allem darum, die Erfahrung für mich vollständig zu machen. Ich bin gespannt, wann bei mir als nächstes wieder eine Situation aufploppt, wo ich das Thema wieder erfahren darf.