Diesmal sollte es nach Potsdam gehen – unser jährlicher Weiber-Ausflug mit meinen ältesten Kindergartenfreundinnen. Das hatten wir in einem unserer Zoomcalls vor vielen Monaten beschlossen. Wir hatten schon eine Draisine-Fahrt, eine Alpaka Wanderung, ein Sechser-Fahrrad, eine Bootsfahrt in Leipzig und dergleichen lustige Ausflüge. Warum nicht mal Floß fahren? Das kann man in Potsdam auf der Havel tun.
Mächtige Aufregung herrschte in unserer Signal-Gruppe, als der Termin näher rückte. Was braucht man denn alles für eine Nacht auf dem Floß? Und was essen wir? Wer bringt was mit? Flirrig wie vor einer Klassenfahrt war der sechsköpfige Haufen. Und dann ging es los!
Unser Floß – Eine schwimmende Laube
Vollbepackt mit wirklich ausreichend Verpflegung, Schlafsack und Wechselsachen fuhren wir auf zwei Autos verteilt nach Potsdam zur Havel. Dort übernahmen wir am Abend das Floß. Drei von uns ließen sich ausführlich einweisen in die Bedienung und Eigenheiten des Gefährts. Der Rest bewachte unser stattliches Gepäck. Mit Minimalismus hatte das wenig zu tun. Wir hatten aber schon deswegen sehr viel Spaß.
Das Floß selbst erwies sich als schwimmende Laube mit einem kleinen Trockenklo und Wohn-Schlaf-Raum. Der Plan war, eine Nacht auf dem Floß zu schlafen und dann noch bisschen auf der Havel zu schippern. Die erste Entscheidung: bleiben wir für die Nacht noch im Hafen oder Ankern wir auf dem Wasser und schlafen dort? Wir entschieden uns für den Hafen – einigen war das offene Wasser doch zu unsicher.
Natürlich schliefen wir nicht sofort, sondern packten erst einmal unser mitgebrachtes Abendessen aus: eine Fülle an Aufstrichen, Baguette, Antipasti, Tomaten, Gurken und sonstigen Leckerein, die sich gut ohne Kühlmöglichkeit (b.z.w. mit zwei Kühltaschen) transportieren liessen. Einige Flaschen Wein, Knabber- und Süßkram waren auch dabei.
Bis spät in die Nacht saßen wir essend, trinkend und quatschend in unserem Floß-Haus. Wir genossen den Nachthimmel und spaßten bei jeder Benutzung der Trockentoilette über den fehlenden gewohnten Komfort unseres heimischen Klos. Erst gegen 2 Uhr fanden wir langsam zur Ruhe, ausgebreitet auf einem Matratzenlager quer über die Wohnfläche des Floßes, dort wo wir vorher am Tisch sassen und unser Abendessen genossen. ich bin ja immer wieder fasziniert von so Raumwundern.
Gemütlich auf der Havel
Am Morgen, nach viel zu wenig und viel zu unruhigem Schlaf frühstückten wir gemütlich, liessen unsere kaputte Toilette austauschen und legten schliesslich ab für unser Abenteuer auf See. Wir waren noch nie mit einem Boot unterwegs gewesen, schlugen uns aber wacker als Team. Eine Steuerfrau, eine Seekartenleserin, eine Wasserverkehrsschilderübersetzerin und drei weitere Frauen für gute Laune, Klo und Versorgung.
Nach einer Weile wurden wir etwas gelassener und tuckerten gemütlich die Havel entlang. Immer mal begegneten uns andere Boote, Schiffe und Floße mit Party-Typen. Wir verbrachten die Zeit mit Gesprächen, Liedern (wir hatten eine Gitarre dabei) und Essen. Ab und zu checkten wir die Tankfüllung, weil wir gar keine Ahnung hatten, wieviel wir verbrauchten und ob wir noch zurück zum Hafen kommen würden.
Bis zum späten Nachmittag waren wir auf dem Wasser unterwegs. Dann fuhren wir zurück zur Anlegestelle und gaben das Floß zurück. Wir alle sehnten uns nach einer Dusche, einem ordentlichen Klo und Schlaf.
Wieder an Land
Wie gut, dass wir für die nächste Nacht ein Hotel gebucht hatten. Als alles Gepäck in den Autos verstaut war, fuhren wir zu unserem nächsten Domizil in Potsdam Babelsberg, dem Hotel Lili Marleen. Wir verteilten uns auf zwei Zimmer, machten uns frisch und ruhten erstmal aus. Wir alle waren noch wacklig auf den Beinen. Zu wenig Schlaf und ein Tag auf dem Wasser bescherten uns Schwindelgefühle, als würden wir noch auf dem Floß stehen.
Der Hunger und Appetit auf ein gediegenes Abendessen lockte uns dann aber doch wieder aus unseren Betten. Es ist ja heutzutage ganz schön bequem, sich per Handy über zwei Zimmer hinweg ein Restaurant auszuwählen und unter Berücksichtigung aller Ernährungsgewohnheiten und -spezialitäten zu einigen. Die Wahl fiel auf ein indisches Restaurant, wo wir zu Fuß hin spazierten. Zwei unserer Bande gingen wieder zum Hotel zurück, weil beim Warten auf das Essen der Schwindel so stark und unangenehm wurde, dass sie lieber im Bett ausruhen wollten. Das Essen brachten wir dann mit. Wir waren wirklich sehr erschöpft.
Die Besetzung unseres Zimmers machte noch einen längeren Abendspaziergang ums Hotel herum. Das viele Sitzen auf dem Floß wollten wir noch durch ein paar Schritte ausgleichen. Ausserdem kamen wir so gut ins Gespräch. Dann fielen wir aber nach einem kleinen Weiberquatschdate im anderen Zimmer in unsere Betten.
Art Deco Filmplakate
Noch vor dem Frühstück am nächsten Tag ging ich mit einer meiner Freundinnen zum Bahnhof Babelsberg. Ich hatte gelesen, dass es dort eine Ausstellung mit 17 von Josef Fenneker gestalteten Art Deco Filmplakaten gibt. Ich konnte mir darunter nichts vorstellen: eine Ausstellung im Bahnhof. Das erwies sich aber als besonderer Schatz. ich liebe diesen Stil ja sehr. Fenneker würde vor über 100 Jahren vom Geschäftsführer des „Marmorhaus“-Kinos am Berliner Kurfürstendamm unter Vertrag genommen – eines der renommierten Premierenkinos dieser Tage. Für dieses Kino gestaltete er in wenigen Jahren Plakate für über 144 lokale und internationale Filme. Während seiner ganzen Schaffenszeit sind neben Bühnenbildern für Theateraufführungen und Opern fast 400 Plakate entstanden.
Ich mochte die Stimmung im Bahnhof sehr. Die Filmplakate, das Licht und die Ruhe. Einzig ein Putzmann kümmerte sich um die Sauberkeit des Gebäudes. Andächtig schauten wir die Werke an. Mich interessiert bei solchen Plakaten natürlich immer die Schrift: Wie wurde Schrift genutzt, wie ins Verhältnis zum Bild gesetzt. Wie wurde so ein plakat handwerklich umgesetzt, und wie ist die Komposition? Was unterschiedet ein Filmplakat von Damals von einem heutigen? Welche Gemeinsamkeiten finde ich, welche Gestaltungsregeln sind geblieben?
Auch ein schönes Wochenende geht vorbei
Dann machten wir uns auf den Rückweg zum wirklich üppigen Frühstück. Die anderen Frauen hatten bereits einen Tisch für uns alle gefunden. Ein bisschen abenteuerlich war die Verteidigung unseres Essens gegen die Wespen, die schnell zur Stelle waren (wir saßen draußen).
Am Vorabend hatten wir überlegt, vor unserer Heimreise noch einen Gottesdienst zu besuchen. Da wir aber keinen passenden fanden, haben wir uns auf eine gemütliche Rückfahrt mit anschliessendem Abschlusskaffeeklatsch geeinigt. Das war dann auch sehr passend und rund. Wir breiteten unsere restlichen Vorräte zu einem herrlichen Nachmittagssnack aus, genossen Garten, letzte Gespräche und eine Hunderunde, bevor wir uns dann langsam voneinander trennten. Wir hatten eine sehr gute Zeit miteinander, schöne Themen, im einzelnen und alle gemeinsam, Lachen, Spaß und Tiefe. Diese Frauen sind mir so wertvoll über all die vielen Jahre hinweg, die wir uns schon kennen (seit dem Kindergarten b.z.w. unserer Geburt). Ich freue mich schon auf unser nächstes Weibertreffen.
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