gelesen: Der Salzpfad, Wilde Stille, Über Land

Mit dem Salzpfad und den beiden nachfolgenden Werken der englischen Autorin Raynor Winn habe ich nun mit Begeisterung die ersten Bücher des Jahres fertig gelesen. Geblieben sind Wanderlust und ein frischer Blick auf Natur und Mitwelt.

Im Dezember habe ich mir spontan das Buch „Der Salzpfad“ in der Bücherecke des Drogeriemarktes gekauft. Das Buch hat mich von Anfang an begeistert und berührt. Bereits während des Lesens war für mich klar: ich möchte wissen, wie die Geschichte von Moth und Ray weiter geht. Ende Dezember, gerade als ich die letzten zwanzig Seiten vor mir hatte, lag dann eine Überraschung in meinem Briefkasten: das nachfolgende Buch der Autorin: „Wilde Stille“. So konnte ich zu Beginn des neuen Jahres gleich in das Buch eintauchen. Mittlerweile weiss ich, wer mich mit dem Buch überrascht hat und muss noch immer freudig vor mich hin schmunzeln über diese großartige Geste.

Auch das dritte Buch habe ich mir dann gekauft. Im Buchladen in bad Aibling lag es aufgereiht neben den anderen Bänden. Ich habe mich ein bisschen über das andere Format geärgert. Wäre doch schön gewesen, wenn die drei nebeneinander als Reihe im Regal hätten stehen können. Aber wer weiß – vielleicht reisen sie eh weiter zur nächsten Leserin. 

Der Salzpfad

Raynor und Moth leben in England auf einer Farm, die sie durch ein Urteil in einem Gerichtsprozess verlieren. Gleichzeitig wird Moth mit einer unheilbaren Krankheit diagnostiziert. Am Tag als sie ihr Zuhause verlassen müssen, beschliessen sie den South West Coast Path zu wandern, Englands bekanntester Küstenweg mit über 1000 Kilometern. Sie übernachten im Zelt, müssen mit sehr wenig Geld auskommen und verarbeiten so ihre aktuelle Lebenssituation. Sie erfahren Ablehnung als Obdachlose ebenso wie Herzlichkeit. Die Nähe zur Natur, der Rhythmus des Tagesablaufs, das Wandern – das alles hilft ihnen den Schmerz über den Verlust und die Diagnose zu verarbeiten, sich dem zu stellen, was nun kommt.

Die Wanderung ist ein Übergang. Vom alten Leben auf der Farm zu etwas noch unbekanntem Neuen.

„Wir legten die Rucksäcke in den Lieferwagen und fuhren los Richtung Süden, um alles hinter uns zu lassen. Wir bewegten uns wie in einem Traum. Nichts war real. Wir fuhren davon, verabschiedeten uns von zwanzig Jahren Familienleben, unserem Arbeitsleben, von allem, was wir besessen hatten, unseren Hoffnungen, Träumen, der Zukunft und der Vergangenheit. Wir waren nicht auf dem Weg zu einem Neuanfang, bei dem uns das leben mit all seinen Verheißungen offen stand. Die Erde hatte einen Riss bekommen; wir flohen vor dem Riss, hatten uns eine fremde Haut übergestreift. Fuhren einfach davon. Was vor uns lag? Der Weg, nur der Weg.“ Raynor Winn, Der Salzpfad

Wilde Stille

Natürlich wollte ich wissen, wie es mit Raynor und Moth weiter geht. Die lange Wanderung hat geholfen, die Symptome von Moths Krankheit nahezu verschwinden zu lassen. Und noch ganz andere Wunder passieren nach der ersten Wanderung. Die beiden beginnen einen neuen Lebensabschnitt. Sie ziehen wieder auf eine Farm. Im ersten Teil des Buches beschreibt die Autorin, wie sie die heruntergekommene Farm wieder zum Leben erwecken, wie sie ihren neuen Alltag leben und die Natur sich unter den geschickten Händen von Moth wieder erholt. 

Ray begleitet ihre sterbende Mutter, erinnert sich an ihre Kindheit auf einer Farm und in den Wäldern. Ihre Zugehörigkeit zur Natur und den Rhythmen der Pflanzen und Tiere. Und dann ruft da wieder die Wanderlust und die Hoffnung auf erneute Verbesserung von Moths Zustand. Sie entschliessen sich für eine weitere Wanderung. Darum geht es in der zweiten Hälfte des Buches. Eine Wanderung in Island mit Freunden, die sie auf dem Salzpfad kennengelernt haben. 

Was mir an beiden Büchern so gefällt: die Beobachtung von menschlichen Verhaltensweisen, von Natur und der scharfsinnigen Beobachtung, wie alles Zusammenhängt. Was das Verwinden von Schwalben und die geänderten Routen der Zugvögel mit der Klimakrise zu tun haben, wie Menschen mit Vorurteilen, aber auch mit offenen Herzen durch das Leben gehen. 

„Es ist nicht einfach, eine Gabelung im Lebensweg zu erkennen, und noch schwieriger, sich bewusst für eine Abzweigung zu entscheiden.“ Raynor Winn, Wilde Stille

Über Land

Auch das dritte Buch der Autorin bleibt dicht an ihrer Naturverbundenheit dran. ich habe das Gefühl, dass es noch einmal mehr politisch und kritisch ist. Es enthält viele recherchierte Zusammenhänge und Erkenntnisse darüber, wie wir mit unserer Mitwelt umgehen, wohin sich die Welt und unsere Achtsamkeit entwickelt. Das bindet sie aber so geschickt in ihre Erzählungen ein, dass man meinen könnte, mit Ray am Küchentisch zu sitzen und ihr zuzuhören. Auch hier brechen die beiden nach vielen Zweifeln zu einer Wanderung auf. Die Wanderung findet während der Corona Pandemie statt – viele Dinge darin kommen mir vertraut vor. Geschlossene Rasthäuser, Lieferengpässe, vorsichtige Menschen. Durch das Buch zieht sich viel mehr Angst um ihren Mann, Zweifel über die Entscheidung, diese Wanderung zu unternehmen, aber auch viel Hoffnung. 

Es ist eine längere Wanderung als der Salzpfad. Entsprechend hatte ich das Gefühl, dass sich das Buch auch etwas hinzieht. Es las sich für mich nicht ganz so flüssig wie die vorherigen beiden – aber vielleicht war ich auch ein bisschen Wanderbuch-müde. Dennoch bin ich froh, dass ich es zu Ende gelesen habe. Denn gerade das letzte Drittel des Buches war voller Lebensweisheit, Einsichten und Hoffnung. Das hat mich sehr berührt.

„Ich fühle mich, als hätten wir einen Berg erklommen, von dem ich bisher nichts wusste, aber nun bin ich oben auf dem Gipfel angekommen und werde nie mehr heruntersteigen. (…) Ich habe einmal etwas über Sufismus gelesen, eine mystische Strömung im Islam. Dort gibt es die Vorstellung, dass sich, wenn man nur lange genug geht, die Bindung an die Welt löst. Am Ende werden Wanderer und der Weg eins, und der Wanderer erreicht den weglosen Weg. (…) Ich bin froh, dass wir nicht mit dem Zug gefahren sind – jetzt bin ich schon so viele Kilometer gelaufen, aber erst in den letzten Tagen, seit ich mich so geschwächt fühle, habe ich es kapiert. (…) Dass ich gar nicht zum höchsten Punkt des Moors gehen muss, um in der Wildnis anzukommen. Sie ist bereits da, in mich eingeprägt, ich trage sie in meinem Innern.“ Moth zu Raynor, Über Land

5/5

Die drei Bücher haben mir auf jeden Fall gut gefallen. Sie sind voller Hoffnung, Menschlichkeit und Naturverbundenheit. Ich bewundere die Nähe und Beziehung der beiden, ihren Mut und ihre Resilienz. Mir hat die Lektüre Wanderlust gemacht. Nun habe ich den Mann gefragt, ob er nicht mal Lust hat, unsere täglichen Spaziergänge etwas länger auszudehnen. Eine Zweitages-Wanderung oder so. 

Vorerst haben wir uns zum „Pilgern vor der Haustür“ bei Leben Begegnen angemeldet. Anfang April wollen wir dann zu Fuß Richtung Chiemsee aufbrechen.

2 Kommentare zu „gelesen: Der Salzpfad, Wilde Stille, Über Land“

  1. Hallo Ramona, wenn Du Dich mal ein paar Wochen von den Büchern trennen könntest, würde ich mich freuen sie lesen zu dürfen. Würde Dir derweil auch ein anderes schicken, von Dörte Hansen. Liebe Grüße Andrea

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen