Tagebuch – Fensterblicke

Wenn ich spazieren gehe, dann schaue ich gern in die Fenster und Vorgärten der anderen Häuser. Ein bisschen ist es ja auch so mit dem Bloglesen. Einen Blick in andere Familien, andere Häuser zu erhaschen. Wie richten sich die Menschen ein in ihrem Heim, ihrem Hafen, ihrem Nest.  Man denkt dann, sich aus den wenigen Hinweisen ein Bild machen zu können. Was sind das für Menschen? Bekommen sie das Leben besser hin? Lasten die Sorgen weniger schwer auf ihren Schultern? Geht es ihnen besser? Schlechter? Als würde das eine Rolle spielen. Aber wir vergleichen uns eben doch immer wieder.

Und dann komme ich an unserem Haus vorbei. Das Haus, was mir manchmal mit all dem Lärm, all der Arbeit und all den Baustellen im Innen und Außen über den Kopf wächst. Wo Chaos herrscht und so viele Ecken noch unfertig oder schon wieder reparaturbedürftig sind.

Wenn ich es so von aussen sehe, im Dunkeln mit einem Lichtschein vom Fenster, dann versuche ich, es auch mit Abstand zu betrachten. Als würde ich in das Fenster eines fremden Hauses blicken. Wirkt es einladend? Dann mischt sich, was ich sehe und was ich weiß.

Im Inneren

Es duftet nach frisch gebackenen Apfelkuchen, im Ofen knistert ein Feuer, weil den ganzen Tag Nebel herrschte und die Sonne nicht zur Solaranlage durchdringen und unser Wasser erwärmen konnte. In der Wohnküche hängen Kinder herum. Vermutlich zocken sie am Handy, oder streiten sich. Es müsste mal wieder der Staubsauger durchfahren und im Kühlschrank ist nicht genug Platz für die ganzen Äpfel, die gerade in der Biokiste gekommen sind. Es steht Abwasch auf der Arbeitsfläche – niemand hat Lust, sich dessen anzunehmen. Im Raum steht auffordernd der Leere Holzkorb, damit jemand hinaus in die Kälte geht, um ihn wieder mit Holz für das Feuer aufzufüllen. 

Der Weihnachtsbaum steht noch, verliert aber langsam seine Nadeln. Darunter liegen offene Notizbücher, Stifte und Bücher. Auch noch ein paar Weihnachtsgeschenke. Neben dem Baum steht der Wäscheständer. Die nächste Wäsche dreht schon ihre Runden in der Waschmaschine. Ein Stapel gefalteter Sachen liegt auf der Couchlehne, damit jemand ihn mit ins obere Stockwerk trägt. Inmitten all der Gemütlichkeit und des Chaos schwingt die Sorge um eine mögliche Corona-Infektion. Auf dem Tisch stehen aufgeklappte Laptops mit Onlinekursen und Rezepten.

Manchmal hört man ein Lachen, einen Alltagswitz oder Geschwistergespräche. Der Raum ist chaotisch, aber auch ein Ort der Zusammenkunft, Hafen und Schutz. Hier sind alle am liebsten, obwohl es allen zu laut und zu unruhig ist. Hier ist es warm, es gibt essen und Austausch. Hier findet das Leben statt. Das Schöne und das Häßliche, Hoffnung und Sorge.

 

So oft will ich es anders haben. Schöner. Aufgeräumter. Ruhiger. Geordneter. Friedlicher. Wenn ich dann aber da draussen entlang gehe und den Lichtschein sehe, dann bin ich doch sehr froh darüber, wie es ist. Voller Wärme, Miteinander, Geschichten und Familie.

Hat dir der Beitrag gefallen? Wie StrassenkünstlerInnen der Hut, steht hier im Blog eine Teekasse. Nur eben virtuell. Wenn du magst, kannst du mir einen Tee ausgeben. Oder Farben und Papier. Danke für die Wertschätzung <3

3 Kommentare zu „Tagebuch – Fensterblicke“

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