Tagebuch – Schicksal und freier Wille

Gestern sassen der Mann und ich auf der Couch. Mit dem Wolf gemeinsam haben wir eine Folge Lucifer geschaut. An einer Stelle im Film fragt Lucifer seine Therapeutin und Freundin Dr. Linda Martin, ob sie an freien Willen oder Schicksal glaubt. Ihre Antwort hat mich an zwei Dinge erinnert, die ich als Kind und Jugendliche als Theorie, Vorstellung oder Idee hatte. 

Zum einen habe ich mir, vor allem wenn ich in den Himmel geschaut habe, immer vorgestellt, dass wir nur Teile einer Spielzeugwelt eines Riesen sind. Ich habe total gern mit Puppen und Figuren gespielt, mir kleine Welten aufgebaut und bestimmt, was die tun haben. Und so ähnlich, dachte ich mir, ist es mit uns Menschen. Wir sind eine große Spiellandschaft eines Riesen (damals wusste ich noch nichts von Gott – ich bin atheistisch groß geworden). 

Später kam mir die Frage, ob ich wirklich frei bin, Entscheidungen zu treffen. Oder ob nicht alles, was mir im Leben passiert bereits vorbestimmt ist. Also auch jede Entscheidung, die ich treffen. Ob ich nicht nur denke, dass ich eine Wahl habe, aber eigentlich steht auch im Moment der Wahl meine Entscheidung schon fest.

An diese Gedanken habe ich schon lange nicht mehr gedacht, da hat mich die Filmszene wieder daran erinnert. Ich glaube, eine zeitlang erschien mir diese Theorie ziemlich schlüssig. Ich könnte da mal wieder von neuem Hinspüren, was ich jetzt glaube. Das mit dem freien Willen und so.

Die Tochter hat gestern Zimtschnecken gebacken. Der Mann meinte, es passiert doch, dass Kinder Talente entwickeln, auch wenn deren Eltern ihnen das nicht in die Wiege gelegt haben. Pfff. (eine Anspielung auf meine nicht so ausgeprägt vorhandenen Backkünste). Ich habe hier ein bisschen aufgeräumt, man sieht es kaum, aber es tut mir gut, es hier gemütlich zu machen. Höhlenbau für die dunkle Zeit. Einmuckelmodus. Winterruhe. Der Herrnhuter Stern hängt im Wohnzimmer, die Lichterkette im Fenster. Ich mache langsam, weil mir das gut tut.

Heut morgen hatte ich etwas Halsschmerzen. Ich kenne diese Halsschmerzen. Die kommen, wenn ich zu viel Brot oder Käse esse. Dennoch haben sie mich, gemischt mit der derzeitigen Lage, total verunsichert. Einer weitere Nachricht oben drauf, und ich habe den ganzen Vormittag ziemlich um meine Stabilität gerungen. Ging dann aber wieder. Mit ganz viel Selbstfürsorge (Salbeitee für den Hals, ein warmes Mittagessen, Mathe mit dem Wolf, Arbeit für einen Kunden und ein Artikel für das Handschrift Magazin – mich wirksam und kompetent erleben). 

Nach dem Nachmittagstee waren wir eine Weile draussen im Garten, die Tochter, der Sterngucker und ich. Das Wetter war Novemberfrisch, aber ok, um ein bisschen Gartenarbeit zu erledigen. Das habe ich dieses Jahr vernachlässigt, Beim Zurückschneiden des Frauenmantels wusste ich auch wieder, wieso. Die Schnecken!

Auch die Himbeeren habe ich gestutzt, den Rückschnitt des Lavendels nur angefangen. Zuviel Gartenschere macht mir sonst wieder Schmerzen in meiner Schreibhand. Das hatte ich schon einmal, war nicht schön. 

Die Draussenzeit und ein Spaziergang mit der Tochter und dem Hund haben mir so gut getan. Wir konnten das Abendrot bestaunen und den aufgehenden Vollmond. Den bekommt man ja mit der Handykamera nicht so zu fassen in all seiner Schönheit. In echt war er riesig und total klar.

Der Mann besucht heute eine Freundin. Ich wollte lieber daheim bleiben. Ich habe gerade gar kein Bedürfnis nach Menschen. Auch meine Reise zu meinen Freundinnen habe ich ja ausfallen lassen. Dafür treffen wir uns am Samstag wieder zu einer Weibertalkshow per Zoom. Ist nicht ganz das gleiche, aber besser als gar nichts. Die Langsamkeit tut mir gerade gut.

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6 Kommentare zu „Tagebuch – Schicksal und freier Wille“

  1. Schopenhauer hat zu diesem Thema gesagt: Der Mensch kann tun, was er will. Er kann aber nicht wollen, was er will.

    Was für ein interessantes Nest im Lavendel! Was mag da herausgekommen sein?

      1. Ah, Wespenspinne! Die habe ich vor wenigen Wochen zum ersten Mal hier gesehen! Sie ist mir aufgefallen, weil die Gräser unter ihrem Gewicht zu Boden gegangen sind. Toll, dass du mir das Gelege dazu zeigst!

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