Die Septembersonne gibt ihr Bestes, den verregneten August wettzumachen. Die Himbeeren sind nachgereift und bieten doch noch schmackhafte Beeren. Daran hatte ich schon gezweifelt. Auch der Brombeerstrauch schenkt uns jeden Tag von seiner Ernte. Ich sitze in der Sonne und geniesse die letzten Ferientage.
Noch immer beschäftigt mich auf vielen Ebenen das Thema Loslassen und Reduzieren. Dabei geht es nicht nur um physischen Ballast, sondern auch um Ideen, Vorstellungen und Gewohnheiten. Am Wochenende habe ich abends am Feuer meine Tagebücher, Bulletjournals und Kalender der letzten Jahre verbrannt.
Die Kinder haben unwillentlich ein bisschen nachgeholfen im Loslassprozess: ein Glas Schokodrink ergoß sich ungünstig über meinen alten Laptop, den sie derzeit zum Filme schauen nutzen, auf dem aber noch ein Großteil meiner Daten lag, die ich unbedingt mal noch auf meinen neuen Arbeitsrechner übertragen wollte. Hin und wieder brauchte ich ihn noch für Einstellungen und zum Arbeiten. Jetzt ist er hinüber. Da war nichts mehr zu retten. Wir haben ihn etwas gesäubert, die Festplatte ausgebaut und bei Ebay als Ersatzteillager verkauft. Ging sofort weg.
Ich bin erstaunlich ruhig darüber. Ein paar Daten habe ich schon auf meinem neuen Laptop, einige im Backup. Der Rest ist verloren. So what. Es gibt Wichtigers im Leben.
Den Sonntag-Morgen nutzte ich für meine Wochenplanung. Die Ferien sind vorbei, es geht es wieder los mit Alltag und Jobs. Das merke ich. Nach meiner August-Auszeit stapeln sich die Aufgaben, am liebsten alle gestern zu erledigen. Jetzt kann ich ganz neu meine Erkenntnisse aus der Lektüre von „Essentialism“ anwenden.
Wie immer, wenn mir die Dinge über den Kopf zu wachsen drohen, schreibe ich Listen. Um dann zu entscheiden, was gerade dran ist, was dringlich ist, was warten kann. Kundenaufträge, Kursvorbereitung, Familienkram, Termine. Da kommt einiges zusammen.
Familienausflug zum Chiemsee
Der Mann hatte neulich in einem Nebensatz einen Familienausflug vorgeschlagen. Wir hatten überlegt, wie wir nochmal als Familie essen gehen können. Spontan ist ja gerade wegen der Corona-Beschränkungen etwas schwierig. Für Innenraum-Gastronomie braucht es einen offiziellen Test, wenn man nicht geimpft ist. Also suchen wir ein Restaurant, wo wir draussen sitzen können, weil Sonntags hier keine Teststationen offen haben.
Relativ kurzfristig und spontan beschliessen wir einen Familienausflug zum Chiemsee nach Seebruck. Das Wetter ist schön. Wir steuern einen Italiener mit Draussensitz an. Nach kurzem Familienknatsch, der wohl zu einem Ausflug bei uns standardmässig dazu gehört, sitzen wir im Auto und tuckern los. Bei der Abfahrt hat der Mann noch einen Abendtermin im Kalender bemerkt, den wir beinahe übersehen hätten. Also wird der Ausflug etwas zeitlich eng. Wir fahren trotzdem.
Am Chiemsee waren wir zuerst Mittagessen. Einmal Pizza für alle. Danach wollten wir Tretboot fahren. Weil aber Hochwasser und starke Strömung war, riet uns die Dame vom Bootsverleih zu einem Elektroboot. Ok. Hauptsache Boot. Damit tuckerten wir eine Stunde etwas unkoordiniert über den Chiemsee. Ich fand das sehr aufregend, kenne ich mich doch mit Bootsverkehr überhaupt nicht aus. Die Kinder waren da viel entspannter und wollten am liebsten die ganze Zeit im Schnellgang über den See fetzen.
Auf das Wasser zu schauen, das Funkeln der Miniwellen, das Glitzern der Sonne, die Seegelboote, das viele Blau – das macht bei mir sofort Urlaubsgefühle. Da bin ich im Jetzt, kann runterkommen und entspannen. Das macht mich glücklich.
Weil wir gern noch schwimmen wollten (also ich und der Jüngste), fanden wir uns noch einen schönen Fleck am See, von wo aus wir ins Wasser konnten. Der Mann und der Wolf lungerten derweil auf der Picknickdecke herum. Dann wurde es plötzlich Zeit, wieder aufzubrechen, damit der Mann seinen Termin (Gongmeditation im Yogazentrum München) wahrnehmen konnte. Noch schnell ein Eis auf die Hand für die Jungs und schon mussten wir den Rückweg antreten. Das nächste Mal wollen wir uns mehr Zeit nehmen. Schön war es trotzdem.
Wieder daheim verstreuen sich die Familienmitglieder in alle Winde. Der Mann zu seinem Termin, der Wolf ins internet zu seinen Freunden, der Sterngucker zum Spielplatz. Ich bleibe allein zurück und geniesse einen Salat zum Abendessen mit kleinen Fladen aus übriggebliebenen Stockbrotteig vom Vortag. Nebenbei schmökere ich in der Hygge, die ich mir mit noch drei anderen Zeitschriften in der Post gekauft hatte, als ich mit der Tochter Pakete wegbringen war.
Über ein Bild stolpere ich. Ein Familienausflug. Harmonisch, fröhlich, hyggelig. So fern von (meiner) Realität, dass ich darüber lachen muss. Unsere Ausflüge starten mit Gemotze und Gemaule, beinhalten eine Dosis Streit und verschiedene zu befriedigende Bedürfnisse auf einen Haufen. Mit Verdrängung dieser Momente sind sie doch ganz schön, aber eben nicht wie auf dem Foto. Der Ausflug zum Chiemsee war ein weiterer Beweis dafür. Ich überlege noch, ob das so sein muss, und ob ich in mir drin ein verklärtes Bild von Familienausflügen habe. Von hier aus wäre es jetzt ein leichtes, in selbstkritische Gedankenschleifen zu verfallen, mich zu fragen, was wir falsch machen und das Idealbild der Hyggefamilie hochzuhalten. Das lasse ich mal lieber. Ich mag unsere Familie, den Ausflug und all unsere Eigenheiten. Mal mehr, mal weniger.
Hat dir der Beitrag gefallen? Wie StrassenkünstlerInnen der Hut, steht hier im Blog eine Teekasse. Nur eben virtuell. Wenn du magst, kannst du mir einen Tee ausgeben. Oder Farben und Papier. Danke für die Wertschätzung <3