Tagebuch – eine emotionale Achterbahn

„Haben sie einen Termin? – – oh, dann sieht es schlecht aus. Wir sind ziemlich voll heute.“ So wurden wir heute beim Testzelt wieder weggeschickt, als wir uns für unseren wöchentlichen Schwimmhallenbesuch testen lassen wollten. Die Jungs kommen mit ihren Schultests ja auch so in die Halle, ich brauche einen offiziellen Nachweis. Ich habe ja grundsätzlich nichts dagegen, mich zu testen oder testen zu lassen, finde aber zunehmend nervig, wie wenig Vertrauen einem entgegengebracht wird, sich auch selbst zu testen. Meinetwegen ja auch vor Ort und unter Aufsicht. 

Ich könnte jetzt einen ganzen Blogpost über die aktuellen Corona-Regelungen schreiben und wie es mir damit geht. Wie sehr sie an mir zehren, mehr noch als das vergangene Jahr. Wie sehr mir die Einteilung von Menschen und deren Rechte in geimpft und ungeimpft in mir drin zu schaffen machen. Die enttäuschten Kinder, die ohne mich ja nicht in die Schwimmhalle können (Nichtschwimmer), die nervigen Test-Termine, weil die Test ja unbedingt offiziell sein müssen, die Lücken im Posaunenchor, weil manche Musiker*innen aufgrund der Regelungen lieber ganz von den Proben fernbleiben. Trennung, Entzweiung, Ausgeschlossen werden. Und so komplizierte Organisation von Veranstaltungen, Treffen oder spontanen Ausflügen. 

Doch genug davon. Die Woche hat mich ohnehin ein bisschen erwischt. Zunächst war alles ganz schön. Der zweite Nachmittag in diesem Schuljahr in der Schule. Ich habe meinen Schultag getauscht und den Kurs am Dienstag Nachmittag übernommen. Pausenaufsicht, diversen Orgakram, neue Schulleitung. Die neue Kindergruppe und ich, wir lernen uns gerade ein bisschen kennen. Auch den neuen Raum, wo wir sein dürfen. Wir haben mit Äpfeln und Birnen gedruckt Das hat Spaß gemacht und schöne Ergebnisse. Ausserdem habe ich in diesem Monat habe ich auch Busaufsicht. jede*r Kursleiter*in ist einen Monat lang dran. 

Neben der Arbeit an der Schule hatten wir auch viele Termine in dieser Woche. Frauenarzt-Vorsorge und drei Gespräche mit dem Wolf wegen seiner Schulgeschichte. Die Termine waren alle drei sehr fruchtbar, gingen aber auch für mich als Elternteil in die Tiefe. All die Fragen nach der Vergangenheit, die Geschichten von früher, die Bilder, die man sich nun versucht von uns und dem Jungen zu machen. Nichts schlimmes, aber es hat mich dann am Mittwoch Abend eingeholt. Erwischt. Eiskalt von Hinten. Schon auf dem Weg zu Sensory Awareness.

Alte Gefühle

Drei Wochen habe ich so viel auf dem Tisch gehabt, funktioniert und alles gewuppt. Und dann flossen plötzlich die Tränen. War mein System voll und musste sich erstmal neu kallibrieren. Wie gut, dass ich meine Sensory Awareness Stunde habe. Dort konnte ich all die alten Gefühle, die plötzlich aus meiner Kindheit hochkamen einmal durchfühlen und mich selbst versorgen. Haltung annehmen, mich sortieren und gerade rücken. Auf körperlicher Ebene. Ziemlich verheult, aber wieder aufgeräumt kam ich an dem Abend zurück.

In meinem Kopf sind ein paar Bildideen aus diesen Erlebnissen entstanden, die ich mir als Skizzen und Worte festgehalten habe. Mal sehen, wann ich dazu komme, sie umzusetzen.

Ich finde das sehr faszinierend. Wie unser Körper jahrelang Emotionen speichert, Erlebnisse, Gefühle, Bilder. Verborgen in einer Kiste im Keller. Und dann, nach so vielen Jahren, kommen die hoch. Konfrontieren uns. Wollen gesehen werden. 

Dazu passte auch irgendwie meine Lektüre. Ich habe mit Begeisterung „Altes Land“ von Dörte Hansen gelesen. Ich mag ihre Art zu erzählen. Naja, und weil ich selbst acht Jahre in Hamburg gelebt habe, waren mir einige Orte, Ecken und Eigenheiten vertraut. Ich mag die Sprache, die Landschafts- und Charakterbeschreibungen. Und gleichzeitig ist das Buch auch voller Schmerz. Über Trauma und vertrieben werden, über nicht dazu gehören und Heimat finden. Passt ja genau zu meinem Wochenthema.

Das Buch hat mir wirklich gut gefallen. Als nächstes habe ich „Unser allerbestes Jahr“ von David Gilmour begonnen.

Es gab neben all der emotionalen Achterbahn natürlich auch viele schöne Momente. Allein Kürbis und Spinat aus dem Garten auf dem Tisch. Welch Reichtum! Die Zärtlichkeit von mir zugewandten Menschen, herzliche Worte und Freude beim gemeinsamen musizieren. Das Getragensein, in Kontakt sein, miteinander Reden, nicht allein sein in den schwierigen Themen. 

Aufräumtagebuch

Ich hatte mir ja zu Beginn des Monats vorgenommen, meine Auf- und Ausräummission fortzuführen. Diese Woche war so voll, dass ich gar nicht bemerkenswert viel auf dieser Ebene machen konnte. So habe ich mich nur von ein paar Newslettern abgemeldet, habe Papierkram sortiert und weggeworfen und unser Gewürzregal aufgeräumt. Im Garten habe ich ein Beet von Unkraut befreit, dort kann jetzt der Feldsalat wachsen, der sich im Frühjahr selbst ausgesät hat. Heute habe ich die Steuererklärung für das vergangene Quartal angefangen. Dabei konnte ich viele Kassenzettel, Rechnungen und Notizen dem Papiermüll übergeben. Kleinkram, aber an vielen Stellen macht es eben doch einen Unterschied.

Hat dir der Beitrag gefallen? Wie StrassenkünstlerInnen der Hut, steht hier im Blog eine Teekasse. Nur eben virtuell. Wenn du magst, kannst du mir einen Tee ausgeben. Oder Farben und Papier. Danke für die Wertschätzung <3

3 Kommentare zu „Tagebuch – eine emotionale Achterbahn“

      1. Das verstehe ich. Ich hatte auch Angst, sehr große Angst, sogar Panik – aber vor einer Erkrankung!! Deshalb habe ich mich impfen lassen und jetzt kann ich endlich wieder unbeschwert leben, mich mit meinen Freund*innen treffen, ins Restaurant gehen, ins Kino, usw. Das Leben macht wieder Spaß 🙂

        So reagiert jede*r anders…..

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